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  • Daniel Knop

Focus Stacking – welche Abbildungsmaßstäbe brauche ich?

Mikroskopobjektive erlauben mit der Focus-Stacking-Technik enorm große Abbildungsmaßstäbe. Doch welche davon sind im Einzelfall wirklich sinnvoll? Schließlich kosten gute Objektive viel Geld, und meist um so mehr, je stärker sie vergrößern. Zudem wird die Arbeit mit zunehmender Vergrößerung erheblich schwieriger.


Zwei extrem stark vergrößerte Pollen einer Hibiscusblüte befinden sich fast bildfüllend vor schwarzem Hintergrund, rechts oben als Einklinker eine freigestellte gelbe Hibiscusblüte und links unten ein Einklinker, der zahlreiche unter schiedliche Objektive vor weißem Hintergrund zeigt
Nicht jeder, der Focus Stacking mit Mikroskopobjektiven betreibt, muss stärkste Vergrößerungen durchführen. Besonders beim Einstieg machen Sie sich die Sache erheblich leichter, wenn Sie mit kleineren Abbildungsmaßstäben beginnen (im Foto Hibiscus-Blüte 1:2 und Hibiscus-Pollen auf der Spitze einer Akupunkturnadel 50:1 sowie diverse Objektive für Makro und Mikroaufnahmen)

Die Focus-Stacking-Aufnahmetechnik hat sich während der vergangenen zwei Jahrzehnte entwickelt und unter ambitionierten Makro- und Mikrofotografen weltweit verbreitet. Sie ermöglicht uns heute, filigrane Details bei Tieren, Pflanzen, elektronischen Bauteilen und vielem anderen erheblich hochpräziser und schärfer abzubilden, als das zuvor möglich war. Dieser Fortschritt ist so gewaltig, dass er quasi einen Brückenschlag zwischen der Makrofotografie und dem Elektronenmikroskop darstellt.


Mancher Einsteiger entwickelt hierbei große Ambitionen, möchte Strukturen an Insektenkörpern immer detaillierter darstellen und förmlich Grenzen verschieben. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts zu sagen, doch man sollte nicht übersehen, dass mit einem Mikroskopobjektiv auch moderate Vergrößerungen den Aufnahmegegenstand extrem detailreich wiedergeben. Vergleicht man z. B. eine Aufnahme, die mit einem Mikroskopobjektiv – z. B. Mitutoyo M Plan Apo 5x oder HLB Plan Apo 5x – von einer Fliege gemacht wurde, mit einem Foto derselben Fliege, das von einem identisch vergrößernden Kameraobjektiv herkömmlicher Bauart stammt – etwa dem Lupenobjektiv Canon MPE 65 in Stellung 5:1 –, dann ist der Auflösungsvorteil des Mikroskopobjektivs immens. So richtig erkennen kann man diesen Unterschied aber nur, wenn man das Bild hochskaliert und dadurch vergrößert betrachtet. Allerdings ist die Schärfentiefe des Mikroskopobjektivs so viel geringer, dass man ohne Focus Stacking kein brauchbares Bild zustande bringen wird.


Kombination aus zwei Bildpaaren, das linke zeigt oben eine gelbe Hibiscusblüte vor schwarzem Hintergrund und darunter das 100-mm-Kameraobjektiv, mit dem es erstellt wurde, das rechte zeigt oben einen zentralen Ausschnitt dieser Blüte und darunter das 100-mm-Filmscannerobjektiv, mit dem es erstellt wurde
Links: Hibiscusblüte: Maßstab 1:2 bzw. 0,5x, Canon R3, elektron. Verschluss, Makroobjektiv Canon RF 100 2,8 Makro, 2 x LED Godox SL 60W, 30 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon. Rechts: Zentraler Ausschnitt einer Hibiscusblüte: Maßstab 1:1 bzw. 01x, Canon R3, elektron. Verschluss, Scanner Nikkor ED 100 (14-Linser), 2 x LED Godox SL 60W, 30 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.
Kombination aus zwei Bildpaaren, das linke zeigt oben einen kleinen Ausschnitt der Hibiscusblüte und darunter das 5x-Mikroskopobjektiv, mit dem es erstellt wurde, das rechte zeigt oben einen noch kleineren Ausschnitt dieser Blüte und darunter das 10x-Mikroskopobjektiv, mit dem es erstellt wurde
Links: Zentraler Ausschnitt einer Hibiscusblüte: Maßstab 3:1, Canon R3, elektron. Verschluss, Objektiv Mitutoyo M Plan Apo 5x, Tubuslinse Raynox DCR 250, Auszug 125 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 100 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon. Rechts: Zentraler Ausschnitt einer Hibiscusblüte: Maßstab 6:1, Canon R3, elektron. Verschluss, Objektiv Mitutoyo M Plan Apo 10x, Tubuslinse Raynox DCR 250, Auszug 125 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 150 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.
Kombination aus zwei Bildpaaren, das linke zeigt oben einen winzigen Ausschnitt eines Hibiscus-Blütenstempels mit Pollen und darunter das 20x-Mikroskopobjektiv, mit dem es erstellt wurde, das rechte zeigt oben einen einzelnen Hibiscuspollen vor einem Blatt der Hibiscusblüte als Hintergrund und darunter das 50x-Mikroskopobjektiv, mit dem es erstellt wurde
Links: Teil des Blütenstempels einer Hibiscusblüte: Maßstab 20:1, Canon R3, elektron. Verschluss, Objektiv HLB Plan Apo 20x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 200 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon. Rechts: ein einzelner Pollen einer Hibiscusblüte mit einem Teil des Blütenblatts im Hintergrund: Maßstab 50:1, Canon R3, elektron. Verschluss, Objektiv HLB Plan Apo 50x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 250 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.

Weniger ist mehr

Ein moderater Abbildungsmaßstab von 5x hat größeren Maßstäben von 20x oder sogar 50x gegenüber viele Vorteile. Einer liegt darin, dass man von Insekten einen größeren Teil des Körpers oder sogar das gesamte Tier abbilden kann. Ein winzige Detail, das mit starker Vergrößerung separat abgebildet wurde, zeigt nicht das Ganze. Steht z. B. nur die eine Abbildung eines Insektenfußes im Raum, mit gigantischer Vergrößerung und präziser Detailgenauigkeit, dann fehlt der Bezug zum Ganzen, nämlich dem gesamten Tier. Nur mit diesem Bezug lässt sich ja der tatsächliche Abbildungsmaßstab erahnen, und erst das erzeugt die volle Wirkung einer solchen Detailabbildung. Der geringe Abbildungsmaßstab zeigt weit mehr, meist einen großen Teil des Insektenkörpers und oft sogar das ganze Tier. Für viele Betrachter ist das erheblich reizvoller als ein winziger Ausschnitt mit quasi elektronenmikroskopischer Präzision.


Einen weiteren Vorteil der kleineren Abbildungsmaßstäbe wird vor allem dem Einsteiger nützen: die geringere Artefaktneigung. Artefakte sind Abbildungsfehler, die im Foto die Wiedergabe in irgendeiner Weise stören und einen nicht beabsichtigten Unterschied zum abgebildeten Gegenstand darstellen. Das können beispielsweise unscharfe, nebelartige Säume um eine Kontur sein oder skurril geformte Flecke, die sich im ganzen Bild oft wiederholen. Manchmal erscheint auch eine Struktur, die sich eigentlich hinter einer anderen befindet, im fertigen Foto davor, und zwar transparent (in einem separaten Beitrag möchte ich auf das Thema Artefakte gesondert eingehen, hier kommen diese Erscheinungen ausführlicher zur Sprache). Die Artefaktneigung steigt mit zunehmendem Abbildungsmaßstab enorm an, und wer damit nicht rechnet, dem können sie die Freude an diesem schönen Fotohobby schnell vergällen. Das ist vor allem dann unangenehm, wenn man als Einsteiger viel Geld für ein sehr stark vergrößerndes Mikroskopobjektiv bezahlt hat.


Beginnen Sie mit geringeren Abbildungsmaßstäben

Darum sollten Sie als Einsteiger möglichst mit kleineren Abbildungsmaßstäben beginnen und hier Ihre ersten Erfahrungen sammeln. 5x bzw. 5:1 ist dafür eine hervorragende Größenordnung, und als erste Steigerung eignet sich 10x. Wenn Sie sich damit durch eine Vielzahl an Motiven arbeiten, kann die Lernkurve schon erstaunlich steil sein, und nach einem Jahr verfügen Sie über viele Erfahrungen.


Bevor Sie sich teure, hochvergrößernde Optiken anschaffen, sollten Sie genau wissen, mit welchen Schwierigkeiten Sie bei zunehmendem Abbildungsmaßstab rechnen müssen, denn einen hohen Preis bezahlen Sie dafür nicht nur im monetären Sinn. Die Arbeit mit Mikroskopobjektiven ist generell um so schwieriger, je stärker sie vergrößern. Das gilt nicht nur für die erwähnten Abbildungsfehler, die Artefakte. Auch die Schärfentiefe nimmt enorm ab. Dadurch benötigen Sie mehr Einzelbilder, und das wiederum erhöht noch einmal die Gefahr von Artefakten.


Das Bild zeigt die vordere Körperhälfte einer Stubenfliege, die auf deren Oberfläche zahlreiche gelbe Hibiscus-Pollen haften und unten links einen Einklinker mit der Aufschrift “5 x“
Hibiscus-Pollen auf dem Facettenauge einer Fliege: Abbildungsmaßstab 5x (zum Vergleich mit 10x, 20x und 50x). Canon R3, elektron. Verschluss, Mitutoyo M Plan Apo 5x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 50 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.
Das Bild zeigt die mit gelben Pollen übersäte obere Hälfte des Fliegenkopfs und unten links einen Einklinker mit der Aufschrift “10 x“
Hibiscus-Pollen auf dem Facettenauge einer Fliege: Abbildungsmaßstab 10x (zum Vergleich mit 5x, 20x und 50x). Canon R3, elektron. Verschluss, Mitutoyo M Plan Apo 10x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 100 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.
Das Bild zeigt obere Hälfte des Facettenauges einer Fliege, auf dem sich gelbe Pollen befinden und unten links einen Einklinker mit der Aufschrift “20 x“
Hibiscus-Pollen auf dem Facettenauge einer Fliege: Abbildungsmaßstab 20x (zum Vergleich mit 5x, 10x und 50x). Canon R3, elektron. Verschluss, HLB Plan Apo 20x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 150 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.
Das Bild zeigt einen einzelnen Hibiscus-Blütenpollen, der auf dem Facettenauge einer Fliege liegt, von dem allerdings nur ein winziger Anteil sichtbar ist. Unten links befindet sich ein Einklinker mit der Aufschrift “50 x“.
Hibiscus-Pollen auf dem Facettenauge einer Fliege: Abbildungsmaßstab 50x (zum Vergleich mit 5x, 10x und 20x). Canon R3, elektron. Verschluss, HLB Plan Apo 50x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x LED Godox SL 60W, 250 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.

Auch eventuelle Unzulänglichkeiten Ihres Focus-Stacking-Setups oder Ihrer Arbeitsprozedur treten mit zunehmendem Abbildungsmaßstab deutlicher zu Tage. Ich erinnere mich an einen Workshop-Besucher, der Schwierigkeiten mit einem bestimmten, stark vergrößernden Mikroskopobjektiv hatte, weil seine damit erzeugten Focus-Stacking-Bilder stets deutlich unscharf wirkten. Bei geringeren Abbildungsmaßstäben hingegen hatte er keine Schärfenprobleme. Das verleitete zu der Annahme, dass sowohl der technische Focus-Stacking-Setup als auch die Arbeitsprozedur in Ordnung sein müssen. Nur das Objektiv könne schuld sein, z. B. durch eine Linse, die in Folge eines Stoßes leicht verschoben wäre, was natürlich Abbildungsschärfe kosten könnte. Tatsächlich aber stellte sich heraus, dass das Problem ganz woanders lag: Er hatte seinen Computer auf dem gleichen Tisch stehen wie den Focus-Stacking-Setup. Die vom Windows-Rechner ausgehenden Vibrationen – vermutlich der Kühlventilatoren – führten bei geringeren Abbildungsmaßstäben noch nicht zu sichtbaren Veränderungen im Bild. Bei stärker vergrößernden Objektiven zeigten sich dadurch aber deutliche Unschärfen, die durch keine anderen Maßnahmen zu beeinflussen waren. Erst der Umzug des Rechners auf den Boden löste dieses Problem, und zwar ganz abrupt. Dies zeigt, wie intolerant Mikroskopobjektive mit hohen Abbildungsmaßstäben in der Regel sind.


Auch mechanische Toleranzen irgendwo an Ihrem Focus-Stacking-Setup, die bei geringen Abbildungsmaßstäben noch völlig unbemerkt bleiben, können bei stärkeren Vergrößerungen erbarmungslos zuschlagen und Ihre Bilder ruinieren, denn physikalische Gesetzmäßigkeiten sind unerbittlich.


Ein weiterer Punkt ist die Beleuchtung. Der Lichthunger eines 50x-Objektivs ist gewaltig, und wenn Sie z. B. mit LED-Lampen arbeiten, benötigen Sie möglicherweise eine Kamera, die auch mit sehr hohen ISO-Werten noch rauschfreie Bilder zustande bringt. 50x ist gewissermaßen die Königsklasse, in der Sie alle Register ziehen müssen. In jedes gute Mikrofoto investieren Sie dabei erheblich mehr Rüstzeit, technische Ausstattung und Erfahrung. Mein HLB Planapo 50x ist eine Diva, die in jeder Hinsicht mit Perfektion verwöhnt werden will, während ihre kleinere 20x-Schwester zwar auch anspruchsvoll ist, aber doch deutlich toleranter. Und im Vergleich dazu lassen sich mit den 5x- und 10x-Objektiven gute Fotos quasi im Vorbeigehen erzeugen – ideale Bedingungen für einen Einstieg ohne Frustration.


Das Bild zeigt einen einzelnen, gelben Hibiscus-Blütenpollen, der so detailliert aufgenommen wurde, dass er bildfüllend ist. Er befindet sich auf dem Facettenauge einer Fliege, von dem jedoch nur wenige der Ommatidien zu sehen sind.
Hibiscus-Pollen auf dem Facettenauge einer Fliege: 50:1, nach massivem Rundumbeschnitt Maßstab ca. 100:1 (plus Skalierung am Computerdisplay), Canon R3, elektron. Verschluss, Objektiv HLB Plan Apo 50x, Tubuslinse namenlos (chin. ITL200-Kopie), Auszug 180 mm, 2 x Blitz Godox MS 200V, 250 Einzelbilder, Novoflex Castel micro, Helicon.

142 Ansichten2 Kommentare

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2 Comments


Guest
Aug 18

Wieder ein sehr interessanter Beitrag, den ich bestätigen kann, Gefühlt verläuft der Aufwand, den man bei jeder Steigerung der Vergrößerung benötigt, nicht linear, sondern exponentiell. Und das in fast allen Bereichen (Mechanik, Lichtaufbau, Geduld des Fotografen).

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Guest
Aug 18

Danke für die ausführliche Erläuterung.

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