
Objektivporträts und Vergleichstests
Canon MP-E 65 mm f2,8 1–5x Macro Photo

Das Canon MP-E 65 mm ist ein Makroobjektiv mit variablem Abbildungsmaßstab. Es erweitert die Möglichkeiten der Makrofotografie bis 5:1, und dieser Test soll zeigen, wie es sich im Vergleich mit Objektiven anderer Bauart schlägt.
Das Objektiv
Das Canon MP-E 65mm f2,8 1–5x Macro Photo wurde im Jahr 1999 am Markt eingeführt. Es ermöglicht keine Fokussierung auf Unendlich, sondern wurde ausschließlich für extreme Nahaufnahmen konzipiert. Es verwendet eine interne Fokusmechanik, bei der die Linsenelemente innerhalb des Objektivs bewegt werden, um den Abbildungsmaßstab zu ändern.
Dieses Objektiv beginnt bei 1:1, der Domäne der meisten Makroobjektive, und es reicht bis zu einem Maßstab von 5:1, bei dem vielfach bereits hochwertige Mikroskopobjektive eingesetzt werden. Insofern kann man dieses Objektiv als Brückenschlag zwischen der Makrofotografie und der Mikroskopfotografie sehen. Prinzipiell rivalisiert es mit dem erheblich jüngeren Laowa 25 mm f2,8 2,5–5x Ultra Macro, das sich allerdings auf 2,5–5x beschränkt. Beide Konzepte haben ihre Vor- und Nachteile.
Ebenso wie dem Laowa fehlt auch dem Canon MP-E jedwede Fokussierung. Im Gegensatz zu diesem verfügt es allerdings durchaus über eine Elektronik, die mit der Kamera kommuniziert, so dass EXIF-Daten erfasst werden und auch mit Offenblende gearbeitet werden kann. Auch eine Schärfentiefenkontrolle ist möglich. Der Blendenwert wird an der Kamera eingestellt und elektronisch auf das Objektiv übertragen.
Der Abbildungsmaßstab wird bei diesem Objektiv manuell vorgewählt, und die Fokussierung erfolgt dann über den Aufnahmeabstand. Dieser Abstand ändert sich bei den einzelnen Abbildungsmaßstäben allerdings beträchtlich, denn zwischen 1x und 5x variiert er, gemessen zwischen Frontlinse und Objekt, immerhin um 60 mm.

Das lange Teleskoprohr des MP-E 65mm ersetzt funktionell ein Balgengerät
Wenn die Aufnahmedistanz festgelegt ist, z. B. durch das Befestigen auf einem Stativ, dann wirkt der Einstellring für den Abbildungsmaßstab quasi als Fokussierung. Man kann an diesem Ring dann in geringem Umfang die Fokussierung optimieren, wobei sich dann allerdings der Abbildungsmaßstab etwas verändert. Ich selbst fokussiere aber lieber allein über den Abstand, mit einem fein verstellbaren Lineartisch unter der Kamera. Der jeweils eingestellte Abbildungsmaßstab wird dann auf dem Objektivtubus angezeigt, mit Angabe des erforderlichen Aufnahmeabstands in Millimetern.
Je größer die Spanne des Abbildungsmaßstabs ist, den ein solches Objektiv abdecken soll, um so aufwändiger ist seine technische Konzeption, und um so mehr Kompromisse müssen die Entwickler dabei in der Regel eingehen. Das kann sich auf die Abbildungsleistung auswirken, ganz sicher beeinflusst es aber den Kaufpreis. Hier liegt sicher einer der Gründe dafür, dass dieses Objektiv etwa doppelt so viel kostet wie sein Rivale von Laowa, und ein weiterer ist vermutlich die verbaute Elektronik.
Dinge wie Bildstabilisatoren und Autofokus sucht man bei diesem Objektiv vergeblich, was allerdings bei dem sehr speziellen Einsatzzweck zu verschmerzen ist. Wer motorisch scharf stellen will, dem bieten sich zahlreiche hervorragende 1:1-Makroobjektive an (beim Canon RF 100 bis zu 1,4:1), die mit Nahlinsen auch etwas erweitert werden können (z. B. Raynox DCR 250).
Bein oberflächlicher Betrachtung wirkt dieses Objektiv wie ein Optik mit Standardbrennweite, die in Retrostellung mit einer variablen Verbindung (Teleskoprohr bzw. Balgengerät) an die Kamera gesetzt wird. Tatsächlich aber bleiben drei der zehn Linsen auch beim Verlängern des Teleskoprohrs dicht bei der Kamera, und nur die übrigen sieben wandern nach vorn in Richtung Aufnahmeobjekt. Hinter diesem optischen Konzept steckt also mehr als nur eine Standardbrennweite in Retrostellung.
Die zweite Linse am vorderen Ende ist eine UD-Linse und besteht aus „ultra low dispersion“-Glas, das ähnlich wie Fluoritglas einen niedrigen Brechungsindex hat. Damit sollen chromatische Aberrationen reduziert werden, also Farblängs- und -querfehler, die zu Farbsäumen führen und damit auch Schärfe kosten.
Die Brennweite wird mit 65 mm angegeben, doch das ist die nominelle Brennweite des Objektivs, die sich auf den Unendlich-Fokus beziehen würde (den das Objektiv ja nicht tatsächlich hat). In der Praxis ändert sich die effektive Brennweite jedoch, wenn man den Abbildungsmaßstab einstellt. Bei der maximalen Vergrößerung (5:1) ist sie am kürzesten.

Auch auf einem Focus-Stacking-Setup macht das MP-E 65 eine gute Figur, wenn man mit der im Vergleich zu Mikroskopobjektiven limitierten Schärfeleistung und den chromatischen Aberrationen leben kann – für Einsteiger sicher eine sehr simple Lösung
Effektive Blendenzahl
Die effektive Blendenzahl dieses Objektivs ändert sich, wenn der Abbildungsmaßstab steigt. Das liegt daran, dass der Lichtweg durch die zunehmende Verlängerung des Auszugs (Extension) länger wird. Die effektive Blendenzahl berechnet sich wie folgt:
Effektive Blende = Nominale Blende × (1 + Vergrößerung)
Beispiel:
Bei Blende f/2.8 und 1:1 beträgt die effektive Blende etwa f/5,6
Bei 5:1 und Blende f/2.8 liegt die effektive Blende bei etwa f/16,8
Für dieses Objektiv heißt das im Klartext, dass Sie bei einer eingestellten Vergrößerung von 5:1 und der nominalen Blende 2,8 mit einer effektiven Blende von 16,8 arbeiten! Damit sind Sie bereits im Bereich der Beugungsunschärfen, und die limitieren dann die Detailwiedergabe, in einem Ausmaß, das z. B. von der Pixelgröße abhängig ist. Dieses Problem ließe sich auch nicht durch eine größere nominale Blendenöffnung als 2,8 lösen, weil dabei die Schärfentiefe geringer würde. Dieser Kompromiss ist bei extremer Makrofotografie unvermeidlich, und hier kann nur das Focus Stacking zu besserer Detaildarstellung führen.
Der Hersteller
Canon ist der weltgrößte Kamerahersteller und Weltmarktführer bei Digitalkameras, produziert aber auch Scanner und Drucker und ist auch am Raumfahrtunternehmen Space One beteiligt, das Kleinsatelliten mit einer japanischen Trägerrakete ins All befördern soll. In Canons umfassendem Objektivprogramm befand sich auch das hier vorgestellte Makroobjektiv.
Technische Daten
Brennweite: 65 mm
Größte Blendenöffnung: f/2.8
Bildkreis: 43 mm (KB-Vollformat)
Aufbau: zehn Elemente in acht Gruppen
Abbildungsmaßstab: 1x bis 5x
Länge: 98/227 mm
Durchmesser: 80 mm
Gewicht: 713 g
Verfügbare Anschlussbajonette: Canon EF
Stativschelle im Lieferumfang enthalten
Zubehör: Blitzgeräte Makro Ring Lite MR14-EX oder Macro Twin Lite MT-24EX
Die Abbildungsleistung
Die folgenden Testbilder geben die Abbildungsleistung des Objektivs wieder. Bildinhalt ist eine runde Silicon-Wafer-Scheibe aus der Produktion integrierter Schaltkreisen (Computerchips) mit 76 mm Durchmesser.
Das erste Doppelbild zeigt bei jedem Abbildungsmaßstab eine Übersichtsaufnahme (Vollformatsensor, von der nur die rechte Bildhälfte sichtbar ist; am linken Bildrand sehen wir also die Bildmitte, rechts hingegen den rechten Bildrand und die rechten Bildecken. Rechts daneben befindet sich eine Ausschnittsvergrößerung des selben Bilds.
Im Anschluss an dieses Doppelbild folgt bei jedem Abbildungsmaßstab ein Vergleichsbild des MP-E 65 mit ein oder zwei anderen Objektiven. Hier handelt es sich jeweils um Bildausschnitte der rechten Bildhälfte, die jedoch auf 200 Prozent hochskaliert wurden.

Bei 1x zeigt das Canon MP-E 65 ein ordentliches Bild ohne erkennbare Verzerrungen, die Abbildungsschärfe ist sehr gut, aber der Farbkontrast ist ausgesprochen schwach. Mit Blende 4 oder 5,6 lassen sich Farbsäume, die bei f2,8 auftreten würden, eliminieren. Links die gesamte rechte Bildhälfte, rechts ein Achtel des Gesamtbilds.

Originalbild auf 200 % skaliert, Canon MP-E 65 im direkten Vergleich mit Canon RF 100 mm F2,8 L und dem Objektiv ED 14 aus dem Nikon-Filmscanner Coolscan 8000. Dem RF 100 scheint das MP-E 65 bei 1:1 ebenbürtig zu sein, und es zeigt sogar noch etwas weniger Farbsäume. Das Nikon-Scannerobjektiv ist jedoch beiden haushoch überlegen.

Bei 2x zeigt das MP-E 65 ebenfalls gute Schärfe bei keinen wahrnehmbaren Verzerrungen, entwickelt allerdings Farbsäume, die auch mit Blende 5,6 nicht vollständig verschwinden. Hier zeigt sich schon das Makro-Dilemma: Blende weiter öffnen bedeutet mehr Farbsäume, die Schärfe kosten. Blende 5,6 reduziert diese, bringt die Aufnahme jedoch schon in die Beugungsunschärfen: 5,6 x (1 + 2) =16,8. Je kleiner die Sensorpixel, um so stärker wird der Schärfeverlust sein.

Ein auf 200 % hochskalierter Bildausschnitt der 2x-Aufnahme zeigt die Schwächen, die dieses Objektiv hat, im direkten Vergleich mit der sagenhaft scharf abbildenden Optik des Filmscanners Minolta Dimage Scan Elite 5400. Mit Blende 4 wäre sicher noch ein Quäntchen mehr Schärfe erreichbar, aber die Detailwiedergabe des Minolta liegt in weiter Ferne.

Bei 3x scheinen die Farbsäume des MP-E 65 etwas geringer, und der Farbkontrast, der bei 1x sehr schwach war, steigt etwas. Das linke Bild lässt leichte kissenförmige Verzerrung erkennen.

Der auf 200 % hochskalierte Bildausschnitt der 3x-Aufnahme zeigt gut erkennbare Details, am besten zu sehen in den quadratischen Kästen. Die Vergleichsaufnahme des Laowa 25 mm 2,5-5x wirkt deutlich weniger scharf. Wahrscheinlich leidet das mehr unter der hier schon sehr kleinen effektiven Blende (22,4). Ab 3x empfiehlt es sich, die Blende weiter zu öffnen als hier (f5,6), um die hier sichtbaren Beugungsunschärfen zu minimieren.

Auch bei 4x zeigt das MP-E 65 gute Schärfe und ist frei von Verzerrungen, allerdings auch hier bei deutlich wahrnehmbaren Farbsäumen.

Im direkten 4x-Vergleich mit dem Laowa 25 mm 2,5-5x zeigt das MP-E 65 bei Blende 5,6 etwas größere Schärfe, was wiederum an dem effektiven Blendenwert liegen dürfte, auf den das Laowa offenbar heftiger mit Beugungsunschärfen reagiert (5,6 x (1 + 5) = 28).

Bei 5x bietet das MP-E 65 gute Bildschärfe, allerdings mit Farbsäumen, die sich auch durch die relativ weit geschlossene Blende (f5,6) nicht vermeiden lassen. Mit weiter geöffneter Blende wäre die Detailwiedergabe sicher besser, allerdings bei stärkeren CAs. Hier muss man objektabhängig entscheiden, um in diesem Dilemma den individuell besseren Weg zu finden; nicht jedes Motiv leidet unter chromatischen Aberrationen im gleichen Maß.

Das Canon MP-E 65 bei Stellung 5x im direkten Vergleich mit Laowa 25mm 2,5-5x, Mitutoyo M Plan Apo 5x und Mitutoyo M Plan Apo 5x HR, Canon und Laowa mit f/5,6, beide Mitutoyo mit Raynox DCR 150: Das Canon zeigt mehr Detailzeichnung als das Laowa, ist dem Normal-Mitutoyo jedoch unterlegen, und das HR-Mitutoyo spielt erkennbar in einer anderen Liga.
Fazit
Das Canon MP-E 65 mm ist auch heute noch ein gutes Lupenobjektiv, das zahlreiche unterschiedliche Aufgabenstellungen gut meistert. Allerdings ist es etwas in die Jahre gekommen, denn es ist seit einem Vierteljahrhundert unverändert am Markt. Vorteilhaft und beinahe konkurrenzlos ist der enorm große Bereich von 1:1 bis 5:1, der es im Prinzip zum Ersatz für ein Balgengerät macht, das durch das verkürzbare Teleskoprohr leicht verstaut werden kann. Für manchen Naturfotografen ist es dadurch geradezu unersetzlich.
Auch für Einsteiger beim Focus Stacking kann es hilfreich sein, weil unterschiedliche Abbildungsmaßstäbe mit einem einzigen Objektiv zu bewältigen sind, ganz ohne Umbau. Allerdings ist die Neigung zu chromatischen Aberrationen unübersehbar, und ab etwa 3 x (abhängig von weiteren Faktoren wie Sensorformat und Pixelgröße) sollte man keinesfalls die Blende auf f/2,8 öffnen, weil sonst chromatische Aberrationen das Bild ruinieren, andererseits aber auch keine zu kleine Blendenöffnung wählen (f/8), weil dann die Beugungsunschärfen zuschlagen.
Das Verständnis der erwähnten Zusammenhänge zwischen der Nominalblende (eingestellter Blendenwert) und der effektiven Blende ist bei der Arbeit mit diesem Objektiv absolut essenziell. Darum sollen die Effekte im Folgenden mit einem Testbild demonstriert werden, das mit unterschiedlichen Blendeneinstellungen aufgenommen wurde.

Vier Ausschnittsvergrößerungen des selben Bilds, aufgenommen bei 5:1 mit unterschiedlichen Blendeneinstellungen (f/2,8, f/4, f/5,6 und f/8).
Bei Blende 2,8 sind Farbränder zu sehen (rote Pfeile), chromatische Aberrationen, vor allem an kontrastreichen Motivkanten. Da sie aber alle im Bild sichtbaren Feinstrukturen betreffen, erzeugen sie Unschärfen, und ein solches Bild ist unbrauchbar.
Bei Blende 4 sind Farbränder nur noch sehr schwach vorhanden (gelbe Pfeile), und das Bild wirkt erheblich schärfer.
Bei Blende 5,6 ist das Bild weitgehend frei von Farbrändern (grüne Pfeile), doch die Beugungsunschärfen fordern schon gewissen Tribut, denn das Bild besitzt etwas weniger Schärfe als bei Blende 4.
Bei Blende 8 ist das Bild frei von Farbrändern, doch die Beugungsunschärfen sind so gewaltig, dass es unbrauchbar ist
Bei Blende 4 erhalten wir gute Schärfe, tolerieren aber noch minimale CAs, während wir bei Blende 5,6 kaum noch CAs sehen, aber schon gewissen Schärfeverlust hinnehmen müssen. Hier muss jeder seinen optimalen Kompromiss finden, aber es wird stets ein Kompromiss bleiben. Wir müssen immer bedenken, dass beim Vergrößern der nominale Blendenwert umgerechnet werden muss in die effektive Blende, und im Kleinbild-Vollformat sind ab einer effektiven Blende von f/11 Beugungsunschärfen zu erwarten, bei kleineren Sensoren eher schon ab f/8.
Wenn Sie beste Schärfe und extrem hohe Detailwiedergabe suchen, dann sind spezielle Optiken mit festliegendem Abbildungsmaßstab die bessere Lösung. Sehr hochwertige Filmscannerobjektive, z. B. Nikon ED 14, Nikon ED 7 oder Minolta 5400, leisten im unteren Maßstabsbereich (1x, 2x) deutlich mehr, und im oberen Bereich (5x) ist man am Focus-Stacking-Setup mit einem Mikroskopobjektiv besser bedient. Allerdings ist die Arbeit mit einem Arsenal an Filmscanner- und Mikroskopobjektiven stets mit größerem Aufwand verbunden, sowohl finanziell also auch in der technischen Anwendung. Und genau dies kann das Canon MP-E 65 mm erleichtern, allerdings mit gewissen Einschränkungen in Bezug auf Abbildungsschärfe und chromatische Korrektion.
Vorteile
Mit 1:1 bis 5:1 große Bandbreite in der Vergrößerung, Offenblendenmessung, Blendeneinstellung an der Kamera, EXIF-Daten, Schärfentiefenkontrolle möglich, Stativschelle im Lieferumfang,
Nachteile
Nur Canon-EF-Bajonett verfügbar, hohes Gewicht, unhandlich durch die Baulänge in Position 5:1, chromatische Aberrationen bei Offenblende, relativ hoher Kaufpreis
Daniel Knop, www.knop.de, www.danielknop.eu