Hochwertige Filmscannerobjektive besitzen ideale Eigenschaften für detailreiche Aufnahmen mit Focus Stacking. Hier wird das zweite von drei Objektiven vorgestellt.
Im Focus Stacking ermöglichen gute Filmscannerobjektive eine deutlich höhere Detailwiedergabe als konventionelle Nah- oder Makroobjektive. Zudem verfügen sie über eine hervorragende Korrektion von Farbfehlern und Verzeichnungen. Trotzdem sind sie in der Makrofotografie relativ wenig bekannt. Nach dem Minolta Dimage Scan Elite 5400 im ersten Teil dieser Beitragsreihe soll in diesem zweiten Teil ein ebenfalls legendäres Kleinbild-Filmscannerobjektiv von Nikon vorgestellt werden.
Zu Beginn unseres Jahrtausends kam nicht nur von Minolta eine revolutionäre Filmscannerlinse auf den Markt, sondern von Nikon gleich zwei. Beide Nikon-Linsen gehen auf das Printing Nikkor zurück, ein absolut legendäres Objektiv, das Nikon um 1970 für extrem hochwertige Reproduktionszwecke entwickelte, z. B. in der Druckindustrie, aber auch zum Kopieren von Kinofilmen. Es bestand aus 12 Linsen in vier Gruppen, und die Gesamtheit der optischen Qualitäten wie Auflösung, Korrektion von Farbfehlern und Verzeichnungen sowie der Farbwiedergabe waren absolut revolutionär. Der Kaufpreis entsprach annähernd dem eines Gebrauchtwagens; Robert O’Toole gibt für das „Printing-Nikkor 95 mm“ und das Jahr 1977 einen Neupreis von 2.262,- US $ an, was im Jahr 2021 der Kaufkraft von immerhin 9.886,99 US $ entsprach.
In späteren Versionen erhielt dieses Printing Nikkor zwei weitere Linsen, so dass es nun 14 Linsen in vier Gruppen besaß („Printing-Nikkor 95 mm F2.8 A“). Ende der 1990er-Jahre beschloss Nikon dann, auf Basis der Linsenberechnungen dieses Printing Nikkors Objektive für einen Kleinbild- und einen Mittelformatscanner zu bauen. Diese Entwicklungen waren um den Jahrtausendwechsel abgeschlossen, so dass sechs Prototypen erstellt wurden, drei mit 40 mm Brennweite für einen Kleinbildscanner und drei mit 100 mm Brennweite für einen Mittelformatscanner. Ziel waren die Scanner Coolscan 4000 und 8000. Marco Cavina gibt über diese Prototypenentwicklung einen detaillierten Überblick.
Ihnen folgten wenige Jahre später die Scannermodelle Coolscan 5000 und 9000, in denen das größere Objektiv leicht überarbeitet war. Allerdings ging es hier neben dem Optimieren des Produktionsvorgangs – was zu sinkenden Scannerverkaufspreisen führte – darum, Glasmaterialien mit toxischen Beimengungen durch andere Linsen zu ersetzen, weil EU-Vorschriften dies erforderten. Die optischen Qualitäten der Objektive dürften davon nicht berührt sein.
Das Mittelformat-Modell wird von Nikon „Scanner Nikkor 100 mm“ genannt und wird im Teil 3 dieser Beitragsreihe detailliert beschrieben. Das Kleinbild-Modell ist das „Scanner Nikkor 40 mm“ „Scanner Nikkor ED 7 Element Lens“ oder kurz "Nikon ED 7". Es besitzt sieben Linsen in vier Gruppen, hat eine Brennweite von 45 mm und ist apochromatisch korrigiert, sowohl für laterale als auch für longitudinale chromatische Aberrationen (CAs). Das führt zu besonders hoher Abbildungsschärfe, weil Abweichungen in den Einzelfarben Rot, Blau und Gelb kompensiert sind und Farbränder um Motivkonturen, die Abbildungsschärfe kosten, vermieden werden.
Abbildungsmaßstab
Ein Scannersensor ist nicht ein Rechteck mit flächig angeordneten Pixeln wie in einer Digitalkamera, sondern hat eine längliche Gestalt, ist also sehr schmal und lang. Beim Scanvorgang bewegt er sich von einer Seite zur anderen über das Objekt. Der 36 mm breite und 24 mm hohe Kleinbild-Filmstreifen wird auf einer Höhe von 24 mm abgetastet, von einem Sensor, der auf einer Länge von 32 mm aktiv ist. Das bedeutet, dass dieses Objektiv dabei eine 24 mm lange Bildkante auf 32 mm vergrößert, was darauf schließen lässt, dass dieses Objektiv auf einen Abbildungsmaßstab von 1,33 optimiert wurde. Auf einem Vollformatsensor wird ein fotografiertes Objekt dabei leicht vergrößert wiedergegeben.
Der Aufnahmeabstand (Distanz vom Objekt zur Lichteintrittslinse) liegt dann bei etwa 59 mm. Durch veränderten Auszug (Distanz von Lichtaustrittslinse bis Kamerasensor) lässt sich der Aufnahmeabstand variieren, was dann auch den Abbildungsmaßstab entsprechend verändert. Durch umgekehrten Einsatz (Inverslage) ergibt sich ein Abbildungsmaßstab von 0,75x; ein so fotografiertes Objekt wird auf einem Vollformatsensor also etwas verkleinert dargestellt. Die Originalstellung dieses Objektivs ist sinnvoll für Abbildungsmaßstäbe von 1:1 bis 2:1 oder darüber, die Retrostellung (Inversstellung) eher unterhalb von 1:1.
Vollformateignung
Ist dieses Objektiv für einen Kleinbild-Vollformatsensor geeignet? Ja, allerdings mit Einschränkungen. Es wurde für einen länglichen Scannersensor von 32 mm Länge konzipiert. Wir produzieren mit diesem Objektiv rechteckige Bilder, doch Objektive erzeugen prinzipiell stets ein rundes, kreisförmiges Bild. Man spricht darum auch vom Bildkreis, und dieser Bildkreis wird quasi zum Rechteck beschnitten, um unser gewünschtes Bildformat zu erhalten. Gehen wir beim Siebenlinser also von einem Bildkreisdurchmesser von 32 mm aus. Unser Kleinbild-Vollformatsensor hat jedoch eine aktive Fläche von ca. 24 x 36 mm, woraus sich eine Bilddiagonale von etwas mehr als 43 mm ergibt. Dies übersteigt den Objektiv-Bildkreis von 32 mm deutlich, wie in der Grafik zu sehen. Darum sind beim Abbildungsmaßstab von 1x im Vollvormat also wenigstens abgedunkelte Ecken zu erwarten, weil dieses Objektiv nicht die gesamte Sensorfläche abdeckt.
In meinem Test mit Vollformatsensor (Canon R3) zeigte es beim Abbildungsmaßstab von 1,3x leichte Eckenabdunklungen, die jedoch bei vielen mittenbetonten Motiven kaum ins Gewicht fallen dürften und in der Praxis vermutlich weitgehend vernachlässigbar sind.
Bei kleineren Abbildungsmaßstäben ab 1,2x beginnen die leichten Eckenabdunklungen, stärker zu werden, und bei 1x können sie bei manchen Bildmotiven bereits stören. Unterhalb von 1x werden sie schwer erträglich, und in meinen Versuchen zeigte sich bei 0,7x mit Vollformatsensor zusätzlich ein deutlich erkennbarer Schärfeverlust. Die Inversstellung, die an sich schon einen etwas geringeren Abbildungsmaßstab produziert, kann diese Probleme unterhalb von 1x etwas reduzieren, doch das Bild bleibt unbrauchbar.
Das Scanner Nikkor ED 7 ist für Vollformatsensoren bei 1,33 und größeren Abbildungsmaßstäben geeignet, und seine Schärfeleistung kann ab 2x durch eine variable Blende noch etwas gesteigert werden. Bei kleineren Sensoren wie APS oder MFT zeigen sich keine Abdunklungen der Ecken, so dass hier auch kleinere Abbildungsmaßstäbe möglich sind, wie die Grafik zeigt. Hier bringt es seine Bestleistung bei Abbildungsmaßstäben zwischen 1,1x und 1,5x. Für Abbildungsmaßstäbe von 1x und darunter sollte das Objektiv bei kleineren Sensoren in der Inversstellung verwendet werden, weil es dann ohnehin mit geringerem Abbildungsmaßstab arbeitet.
Bildqualität
Die Abbildungsqualität dieses Objektivs ist über jeden Zweifel erhaben. Das Bild ist vom Zentrum bis in die Ecken scharf, frei von Verzeichnungen, und Farbränder (chromatische Aberrationen) sucht man vergebens. Im Gegensatz zu dem (ebenfalls herausragenden!) Scannerobjektiv Minolta Dimage Scan Elite 5400 weist es auch keine Bildfeldwölbung auf. Die Farbwiedergabe ist geradezu atemberaubend.
Durch einen vergrößerten Auszug lässt sich der Abbildungsmaßstab auf 2:1 und darüber hinaus steigern, ohne dass sich sichtbare Qualitätsverluste ergeben. Auch der Arbeitsabstand ist für Focus-Stacking-Arbeiten ausreichend groß, um eine gute Lichtverteilung auf dem Objekt zu erreichen, im Vollformat ca. 60 bis 90 mm.
Objektivausbau aus dem Scanner
Der Objektivausbau ist an diesem Nikon-Kleinbildscanner ungleich schwieriger als beim Minolta Dimage Scan Elite 5400. Hier müssen zahlreiche Teile demontiert werden, um diese hochwertige Optik entnehmen zu können. Das ist allerdings nicht wirklich problematisch, weil der Scanner vermutlich ohnehin defekt ist und nicht weiter verwendet werden soll. Allerdings sollten Sie auch in diesem Fall das gesamte Restmaterial unbedingt aufheben, um eventuell die Reparatur anderer Scanner zu ermöglichen, denn die ist seit dem Jahr 2020 deutlich schwieriger geworden, weil Nikon in dem Jahr die Lieferung von Ersatzteilen eingestellt hat.
Zerlegen Sie niemals einen funktionierenden Filmscanner, um das Objektiv zu kommen. Filmscanner sind eine aussterbende Spezies, und jedes dieser Geräte ist weit mehr als die Summe seiner Teile. Ich persönlich weide einen Diascanner nur dann aus, wenn er definitiv defekt ist und eine Reparatur tatsächlich nicht mehr sinnvoll scheint oder nicht mehr möglich ist.
Das Öffnen des Gehäuses ist ein wenig modellabhängig. Beginnen Sie mit Schrauben an der Unter- und Hinterseite. Hinten sind sie direkt zugänglich, unten müssen Sie die flachen Gummifüße abziehen, um an die Schrauben zu gelangen (Coolscan LS 5000 ED bzw. V ED LS-50). Das Gehäuse wird dann einteilig nach oben abgezogen.
Die Modelle LS-4000 ED und IV ED LS-40 haben alle Schrauben an der Hinterseite. Bei ihnen ist das Gehäuse zweiteilig und wird zu beiden Seiten abgezogen. Trotz der unterschiedlichen Gehäuse ist das Innenleben der vier Scannermodelle im Wesentlichen allerdings vergleichbar.
Nun beginnt die eigentliche Demontage. Am besten beginnen Sie damit, dass Sie an Seite A und an der Oberseite Steckverbindungen der Platine hinter der rechteckigen Metallblende lösen. Dann können Sie die Blende mitsamt der Platine abschrauben.
Das Objektiv
Diese entnommene Baugruppe können Sie anschließend ganz demontieren, um das Objektiv zu entnehmen. Wenn Sie das Objektiv in der Hand halten, erkennen Sie, dass es in der Mitte eine breite rundum laufende Rille hat. An einem Ende ist das Gehäuse einteilig und trägt einen weiße Punktmarkierung, am anderen Ende ist es durch eine dünne Rille zweigeteilt. Die Seite ohne umlaufende Rille mit der weißen Punktmarkierung ist die Lichtaustrittsseite. Sie war im Scanner dem Sensor zugewandt, weist beim Focus Stacking in Normalposition also auf die Kamera. Der Gehäusedurchmesser liegt bei 24,3 mm.
Befestigung
Zur Befestigung an der Kamera empfiehlt sich vor allem ein Adapter, der von Rafael Pankratau (RAF Camera) angeboten wird und das Objektiv mit seinen 24,3 mm Durchmesser präzise aufnimmt, gehalten von drei kopflosen Schrauben, und es auf ein männliches M42-Gewinde adaptiert.
Damit kann es dann problemlos mit Hilfe entsprechender Adapter an eine Kamera angeschlossen werden, mit dem nötigen Auszug. Das ist problemlos mit M42-Zwischenringen möglich, auf die der Adapter direkt aufgesetzt werden kann.
Blende
Nicht jedes Objektiv hat seine höchste Schärfeleistung bei Offenblende. Einige Scannerobjektive lassen sich in ihrer Schärfeleistung noch etwas steigern, wenn man sensorseitig dahinter eine variable Blende installiert. Das gilt auch für das Scanner Nikkor ED 7, insbesondere bei Abbildungsmaßstäben ab 2:1. Solche variablen Lamellenblenden sind ebenfalls mit M42-Gewinde erhältlich, an einer Seite weiblich, an der anderen männlich, so dass sie bei dieser Installation einfach dazwischen gesetzt werden können.
Standardmäßig hat das Objektiv eine bauartbedingte Blende von etwa f/2,8, in Reversstellung f/2,6 (beide Werte Robert O’Toole). Mit einer angebauten, variablen Blende empfiehlt sich eine Testreihe mit Einzelaufnahmen unterschiedlicher Blendenöffnungen, um die höchste Abbildungsschärfe experimentell zu ermitteln. Achten Sie jedoch darauf, nicht durch eine zu kleine Blendenöffnung Beugungsunschärfen zu produzieren.
Die Blendenöffnung in Millimetern entspricht dem Verhältnis von Brennweite zur Blendenzahl, hier also:
Brennweite in mm : Blendenwert als Zahl = Blendenöffnung in mm
45 : f/2,8 = 16,07 mm (numerische Apertur ohne variable Blende)
45 : f/3,5 = 12,85 mm (hinzugefügte variable Blende auf f/3,5 bzw. 12 mm eingestellt)
Quellen:
Cavina, Marco – http://www.marcocavina.com/articoli_fotografici/articolo Scanner Nikkor ED.pdf
O’Toole, Robert – https://www.closeuphotography.com/scanner-nikkor-ed-lens
Savazzi, Enrico – https://www.savazzi.net/photography/scanner-nikkor-100mm.html
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